Promotions- und Forschungsseminar AM 2019 in Herdecke
Am 17. und 18 Mai 2019 fand am Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke das vierte Promotions- und Forschungsseminar AM statt. Mit 52 Teilnehmer*innen war es überraschend gut besucht.
Helmut Kiene hielt am Freitag-Abend zum Auftakt den Vortrag „Wie können wir in der Wissenschaft radikal neu denken lernen?“ Ein ambitionierter Versuch und vor allem sehr spannend gestaltet. Kiene beschrieb mit der Methode der kontrollierten Begriffsbildung die Wärme als eine Substanz, neben Festsubstanz, Flüssigsubstanz und Gassubstanz. Das ist insofern ungewöhnlich, als das die Aggregatzustände Fest, Flüssig und Gasförmig laut der modernen Physik aus Teilchen bestehen, Wärme aber nicht. Wärme ist eine Energie. Die Methode der kontrollierten Begriffsbildung hat dabei gar nicht unbedingt einen „neuen“ Charakter im Sinne einer Neuschöpfung. Im Bezug zur vormodernen Philosophie wirkte sie mehr wie eine Rückbesinnung auf andere Denkperspektiven als die rein empirisch-naturwissenschaftliche. Radikal neu denken bedeutete in diesem Zusammenhang „die Perspektive weiten“ und „pluralistisch Denken“ und auch, sich der letztlich unbewiesenen Annahmen der Wissenschaft bewusst zu werden: nämlich das alles aus Teilchen besteht. Helmut Kienes Vortrag war damit eine kleine philosophische Übung, erstmal grundsätzlich alles zu hinterfragen, neuen Annahmen Raum zu geben und Bekanntes aus anderer Perspektive zu denken.
Nach dieser gedanklichen Herausforderung startete der Samstag zwischen Vogelgezwitscher, Morgentau und Sonnenstrahlen. Mit David Martin tauchte eine kleine Gruppe in die verschiedenen Möglichkeiten der Meditation und der Wahrnehmung ein: Yoga, Tai Chi, Kinderspiele und das Beschreiben eines Löwenzahns durch Laute und Bewegung. Danach schien es irgendwie schwer, in einen Raum mit Beamer zurückzukehren. Das gemeinsame Frühstück bot einen guten Übergang.
Um 10:00 Uhr begann das eigentliche Promotions- und Forschungsseminar AM. Nach einer Vorstellungsrunde im Kreis, die Sabine Koch von der Alanus-Hochschule nutzte, um gemeinsam ein paar Kreistanzschritte zu üben, ging es mit dem bereits erprobten Ablauf weiter. Die Forschenden stellten ihre Arbeiten und ihre Institutionen vor, wobei vor allem die Universität Witten/Herdecke, das Gemeinschaftskrankenhaus und die Alanus Hochschule im Fokus standen. Aber auch das Institut für Komplementäre und Integrative Medizin der Uni Bern und das ARCIM-Institute wurden präsentiert. Im Anschluss sprachen Doktorand*innen über ihre Arbeiten und Erfahrung mit der Promotion. Heileurythmie, Bindung und Spiritualität, Geistige Trockenheit als spirituelle Krise bei Depression und Alkoholsucht, Diabetes im Zusammenhang mit Ernährung und dem Säure-Basen-Haushalt oder Selbstwirksamkeit bei Typ-1-Diabetikern, die Regulierung der Körperwärme durch Chili- und Ingwerwickel bei Anorexie, Herzkreislauferkrankungen oder auch eine medizinhistorische Biographie- und Werkanalyse zu Sigwald Sommer (Dermatologe) zeigten einmal mehr, wie groß die Bandbreite in der anthroposophischen-medizinischen Forschung ist.
Der Nachmittag bot in Form eines „Zusammenkommens“ Raum für gezieltere Gespräche unter den Teilnehmer*innen. Das Promotions- und Forschungsseminar rundete Beate Stock-Schröer gelungen ab, indem sie über die gegenseitigen Anforderungen an alle Beteiligten einer Dissertation sprach. Es kam sehr deutlich heraus, dass es sowohl Anforderungen an die Promovierenden, z.B. das selbständige Erarbeiten, als auch an die Betreuer gibt. Dabei zog sie eine Parallele von der Beziehung zwischen Betreuern und Promovierenden zu einer langfristigen Liebesbeziehung mit all ihren Höhen und Tiefen, ihrem Geben und Nehmen, den Kompromissen und Anforderungen an eine gelungene Kommunikation.
Promotions- und Forschungsseminar Anthroposophische Medizin 2018
Am 5. Mai kam es in der Charité zu einem lebendigen Austausch über Promotionsthemen, Schwierigkeiten und Hilfen bei einer Doktorarbeit. Rund 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer (darunter 26 Studierende, nicht nur aus Berlin) folgten den kurzen Vorstellungen der anthroposophisch-medizinisch forschenden Institutionen. Prof. Georg Seifert (AG Integrative Medizin in der pädiatrischen Onkologie, Charité, Berlin) zeigte das breite Spektrum an Themen von der Laborforschung zu Mistelextrakten bis hin zu klinischen Studien und zu pflegerischen Anwendungen. PD Dr. Matthias Kröz (Forschungsinstitut Havelhöhe, Berlin) sprach über die Arbeiten am FIH, über Cancer fatigue und Kohärenzgefühlstudien. Und Prof. Harald Matthes (Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe und Charité, Berlin) berichtete über Arbeiten zum Mikrobiom und zum Krebsregister Netzwerk Onkologie. PD Dr. Stephan Baumgartner (Universitäten Bern und Witten/Herdecke) stellte fundierte Studien zu biologischen Modellen und zur Homöopathieforschung dar. Und Dr. Paul Werthmann zeigte, zu was aktuell am IFAEMM in Freiburg und (vertretungsweise für Dr. Jan Vagedes) am ARCIM-Institut (Filderklinik) geforscht wird. Eine internationale Perspektive brachte Prof. Dr. Erik Baars (Leiden, NL) ein, der eine Arbeitsgruppe zur Anthroposophischen Medizin und insbesondere auch zu den Anthroposophischen Therapien aufgebaut hat. Die Forschungen des Gerhard-Kienle-Lehrstuhls der Uni Witten/Herdecke zu Fieber, Anthroposophischer Anthropologie, Spiritualität und Patientenkompetenz wurden vertretungsweise von Stephan Baumgartner vorgestellt. So entstand das Bild einer großen Vielfalt an möglichen Themen für Doktorarbeiten, an denen in den verschiedenen Instituten fundiert gearbeitet werden kann.
Die Diskussionsrunden und Pausen waren vom kollegialen Austausch zwischen den Studierenden und den Institutsmitarbeitern geprägt.
Ein besonderes Highlight war auch die Vorstellungsrunde aktueller Promotionen von Studierenden. Neben Masha Stammer, die von ihrer kürzlich abgeschlossenen Arbeit zur „Charakterisierung der Apoptoseinduktion im Rhabdomyosarkommodell: Analyse eines triterpensäurehaltigen Viscum album Gesamtextraktes“ (bei Prof. Seifert in Berlin) berichtete, schilderten auch Falk Quittel (Arbeit zur Cancer fatigue bei PD Dr. Kröz in Havelhöhe) und Julia Frank (Forschung zu Meditation zur Stressreduktion bei Jugendlichen bei Prof. Seifert) ihre Erfahrungen mit der Doktorarbeit. Falk Quittel nannte die für ihn entscheidenden Faktoren zur promovieren: „Sehr netter, verlässlicher und erreichbarer Doktorvater – ein interessantes Thema – das Studienprotokoll war fertig – die Beschlüsse der Ethikkommission lagen vor – die Aufgabe schien überschaubar – es konnte sofort losgehen“.
Auch in diesem Jahr bot das Promotions- und Forschungsseminar wieder einen Tag voller Information und Austauschmöglichkeiten rund um das Thema „Doktorarbeit und Anthroposophische Medizin“. Im kommenden Jahr wird das Seminar vom 17. bis zum 19. Mai 2019 wieder in Herdecke stattfinden.
Promotions- und Forschungsseminar Anthroposophische Medizin 2017
Auf das erste Promotions- und Forschungsseminars Anthroposophische Medizin an der Universität Witten/Herdecke folgte in diesem Jahr am 20. Mai die zweite Veranstaltung. In Kooperation mit dem Universitätsklinikum und der Universität Bern, namentlich Roman Huber, Christoph Schempp und Ursula Wolf, lud die Akademie GAÄD nach Freiburg ein, um Studierende und Promovierende mit Institutionen und Forschenden zusammenzubringen. Der Einladung folgten 34 Teilnehmerinnen und Teilnehmer (Mediziner und Pharmazeuten), darunter erfreulich viele junge Kolleginnen und Kollegen (27), die vor allem aus Freiburg und dem Umland, aber auch aus Berlin oder Herdecke angereist waren. Während manche durch die Teilnahme am Einführungsseminar oder durch Praxis- und Klinikfamulaturen Vorkenntnisse mitbrachten, war für die meisten die Anthroposophische Medizin Neuland.
Nach einem kurzen gegenseitigen Kennenlernen hatten zunächst Roman Huber und Christoph Schempp für die Universitätsklinik Freiburg (Unizentrum Naturheilkunde und skinitial), Helmut Kiene für das Institut für angewandte Erkenntnistheorie und medizinische Methodologie, Erik Baars für die Universität Leiden, Stephan Baumgartner für die Universität Bern (IKOM – Institut für Komplementärmedizin), Jan Vagedes für das ARCIM-Institut und Johannes Weinzirl für die Universität Witten/Herdecke (Gerhard-Kienle-Lehrstuhl) Gelegenheit, ihre Institutionen und die dortigen Forschungsschwerpunkte vorzustellen. Georg Soldner informierte zudem über das Forschungsinstitut Havelhöhe, dessen Vertreter aus terminlichen Gründen nicht anwesend sein konnten. Schon jetzt kamen viele Fragen zu möglichen Projekten und Arbeitsabläufen auf. Es wurde deutlich, wie stark die anthroposophisch-medizinische Forschung international vernetzt ist und wie viel Kapazität in der Betreuung von medizinischen, pharmazeutischen und naturwissenschaftlichen Promotionen vorhanden ist.
Daraufhin sprachen Charlotte Schönfeld, Annekathrin Ücker und Jasmine Seiwerth – Freiburger Doktorandinnen, die sich alle in unterschiedlichen Stadien ihrer Arbeit befinden – über ihre Forschung und ihre Erfahrungen mit der Arbeit sowie im Kontakt mit der Anthroposophischen Medizin, die bei den Dissertationen nicht unmittelbar im Vordergrund stand. Gerade in diesem Programmpunkt gab es viel Raum für Fragen und Austausch, und es entwickelte sich ein intensives, praxisbezogenes Gespräch mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
Am Nachmittag standen Projekt- und Arbeitsangebote sowie Finanzierungsmöglichkeiten im Vordergrund. Spätestens jetzt wurde deutlich, dass sich ein solches Treffen nicht nur an die Studierenden richtet, sondern auch Begegnungs- und Vernetzungschancen für die Institutionen bereithält. Roman Huber und Erik Baars boten an, Promotionen über Landesgrenzen hinweg, also zwischen Freiburg und Leiden zu betreuen. Schon bei Jan Vagedes war angeklungen, dass der Arbeitsort und die betreuende Uni keineswegs gleich sein müssen. Es gibt viele Beispiele für gut kooperierende Betreuer von verschiedenen Standorten. Zum Ende hin blieb noch der „Markt der Möglichkeiten“, also das Angebot an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, mit den Institutionen direkt ins Gespräch zu kommen. Auch wenn dies bereits seit dem Vormittag der Fall war, entwickelten sich noch viele Einzelgespräche.
Das Promotions- und Forschungsseminar Anthroposophische Medizin hat sich bereits mit dieser zweiten Veranstaltung voll etabliert. Es zieht junge Studenten an, vermittelt einen attraktiven und breiten Eindruck der Forschung AM und ermöglicht in einer angenehmen und lockeren Atmosphäre das Kennenlernen und den Austausch auf Augenhöhe, etwas, das im akademischen Alltag nicht selbstverständlich ist. Das nächste Promotionsseminar ist für den 5. Mai 2018 in Berlin geplant.
Promotions- und Forschungsseminar Anthroposophische Medizin 2016
Um die Anthroposophische Medizin auch für die Zukunft zu stärken, ist das Engagement für den Nachwuchs unerlässlich. Nachdem sich die Akademie GAÄD in ihrem Netzwerk Forschung AM für das Gespräch zwischen den vielen verschiedenen anthroposophisch-medizinischen Forschungseinrichtungen im deutschsprachigen Raum einsetzt und Forschung auch aus der Lehre und der Weiterbildung nicht wegzudenken ist, ist es nur folgerichtig, dass es ein Seminar geben sollte, dass Studenten an das wissenschaftliche Arbeiten und die Forschung heranführen kann. 2015 wurde im Rahmen des Akademie-Forschungskolloquiums mit der Entwicklung des Promotions- und Forschungsseminars dieser Schritt in Angriff genommen, und Ende April 2016 in die Tat umgesetzt.
Der erste Veranstaltungsort des Seminars sollte die Universität Witten/Herdecke sein, genauer der Gerhard-Kienle-Lehrstuhl für Medizintheorie, Integrative und Anthroposophische Medizin. Auch wenn
die Resonanz vor dem Seminar noch ein wenig verhalten war, so haben sich am Freitag, den 29.
April, doch rund 35 Studentinnen und Studenten aus ganz Deutschland am Dörthe-Krause-Institut im
Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke eingefunden, um etwas über Forschung und Promotion zu
hören – die Gelegenheit zum Austausch war geschaffen.



Forschung und forschendes Denken sind eine wichtige Voraussetzung für gute Mediziner, und die Zeit des Forschens ist nun mal oft die Anfangszeit einer medizinischen Laufbahn. Umso mehr kann eine Zusammenschau der Vielfalt forschender Institutionen für den „suchenden Nachwuchs“ eine Inspiration sein. Entsprechend umfasste das Programm des Wochenendes viele Mosaiksteine der anthroposophisch-medizinischen Forschung. Es war inspirierend. Die unterschiedlichen Institutionen präsentierten sich und konkrete Forschungsarbeiten aus ihren Reihen, und so vielfältig die Schau war – Versorgungsforschung, Chronobiologie, Qualitative Studien, Heilmittelforschung, Medizinische Anthropologie –, eines war bei allen spürbar: die Begeisterung für die eigene Arbeit, das innere Feuer, das immer wieder als Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Promotion genannt wurde. Dabei blieben die Referenten nie an der Oberfläche, scheuten keine akademische Tiefe, belebten die Präsentationen mit Details und Anekdoten und konnten zeigen, wie innovativ Forschung mit einem anthroposophisch-medizinischen Schwerpunkt ist. Dass dies gleichzeitig so kollegial und gegenseitig wertschätzend geschah, darf als besondere Qualität dieses Seminars hervorgehoben werden. Darüber hinaus bot das Seminar nicht nur Vorträge zu Forschungsprojekten, Ziel des Wochenendes war es auch, erkenntnistheoretische Gesichtspunkte und wissenschaftliches Arbeiten als solches zu vermitteln, und die Teilnehmer konnten in Workshops am Samstag ihre Forschungsfrage entwickeln, den Sinn eines Exposés entschlüsseln oder Literatur suchen und zitieren.
Die Abschlussrunde zeigte, dass dieses erste Promotions- und Forschungsseminar Anthroposophische
Medizin für die Teilnehmer gut und anregend war. Man hätte – so die Rückmeldung – in jedem Bereich noch mehr Zeit verbringen und das inhaltliche Spektrum auch auf Finanzierungsmöglichkeiten und Promotionsordnungen erweitern können. Vor allem das Üben der ersten Schritte hin zu eigenen Forschungsprojekten wurde gerade vom Nachwuchs sehr begrüßt. Rund um also genug Anregungen, um sich auf die zweite Veranstaltung zu freuen, die für 2017 in Freiburg i.Br. geplant ist.
Wir möchten uns herzlich bei allen Beteiligten und vor allem dem Lehrstuhl für Medizintheorie, Integrative und Anthroposophische Medizin der Universität Witten/Herdecke für ihr Engagement bedanken, das durchaus keine Selbstverständlichkeit ist. Danke!
Ihre und Eure Akademie GAÄD