Seelische Erkrankungen Modul 6
in Kooperation mit
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Module der Fortbildungsreihe Menschen mit seelischen Krankheiten begegnen uns heute überall, weit über die Fachgebiete von Psychiatrie, Psychosomatischer Medizin und Psychotherapie hinaus. Seelische Erkrankung kann im Verlauf jeder menschlichen Biografie im Wechselspiel zwischen mitgebrachter und ererbter Krankheits-Tendenz sowie erlittener seelischer und/oder körperlicher Schädigung eine Kompromissbildung zur Aktual-Bewältigung darstellen. Krankheit oder biografische Krise dienen somit dem Ich zur Bewusstwerdung seiner selbst an diesem Punkt seines Entwicklungsweges.
Die Entwicklung der gegenwärtigen Psychiatrie zeigt eine immer stärkere Ausrichtung auf ein neurobiologisches Paradigma, das sich auf gestörte Hirnprozesse richtet und daraus pharmakologische Interventionen ableitet. Daneben entwickeln sich psychotherapeutische Verfahren nach störungsspezifischen, humanistischen und achtsamkeitsbasierten Gesichtspunkten weiter, um die herkömmlichen verhaltenstherapeutischen und tiefenpsychologischen Ansätze zu ergänzen und zu integrieren. Anthroposophische Psychotherapie ergänzt diese einerseits um das Verständnis einer geistigen Dimension menschlichen Daseins, welche auch Reinkarnation und Karma umfasst. Andererseits um das Wissen vom Zusammenhang jeglicher Psychopathologie mit internistisch-organischen, neurologischen und hormonellen Körperfunktionen, ohne deren Mitbehandlung Psychotherapie nicht gut gelingen kann.
Für den Heilungsweg sind somit alle Disziplinen gefragt: die Wiederherstellung der physisch-ätherischen Gesundheit durch Pflege-Anwendungen und Medikation, die Beruhigung der Seelenkräfte durch die Künste und ihre Neuaktivierung zum richtigen Zeitpunkt im Krankheitsverlauf, Hilfen zur bewussten Leibergreifung durch die Bewegungstherapien, und nicht zuletzt die Wiedererlangung der Führerschaft durch das Ich über die seelischen Vorgänge durch Psychotherapie und Sozialtherapie.
Wir freuen uns über Ihr Interesse und hoffen auf eine fruchtbare Zusammenarbeit!
Für die Vorbereitungsgruppe
Hartmut Horn, Ellen Keller und Wolfgang Rißmann
Informationen zur Fortbildungsreihe
Inhalt und Methodik
Die anthroposophisch-medizinische Menschenkunde als Grundlage für eine Differenzierung und Erweiterung der herkömmlichen Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie soll exemplarisch anhand von realen Patientenvorstellungen in ihren Grundzügen erarbeitet werden.
Jedes der 9 Module konzentriert sich auf ein Krankheitsbild. Dieses wird jeweils zu Beginn in einem Impulsreferat dargestellt. Naturwissenschaftliche, psychologische, spirituelle, soziale und praktisch therapeutische Aspekte werden zusammengeführt, die ein vertieftes Verständnis des Krankheitsbildes ermöglichen. Im Zentrum jeden Moduls steht die gemeinsame Arbeit mit einem Patienten. Abwechselnd in Kleingruppen und im Plenum werden die methodischen
Schritte entwickelt, die zu einem konkreten Therapievorschlag führen:
- Begegnung mit dem Patienten
- erster Eindruck und Nachklang
- Zusammenstellung der Symptome
- klinische Diagnose
- menschenkundliche Diagnose
- Heilbedarf
- Therapievorschlag
Ein geisteswissenschaftliches Verständnis des jeweiligen Krankheitsbildes wird an den medizinischen Vorträgen und Grundschriften der Anthroposophie gemeinsam erarbeitet. Das betrifft inhaltliche Aspekte, aber vor allem methodische Aspekte einer besonderen Schulung von Sinneswahrnehmung und spirituellem Denken. Neben der menschenkundlichen Textarbeit werden durch gemeinsame Übungen Ansätze zu eigener meditativer Arbeit gegeben. Die Eigenarbeit der Teilnehmer zwischen den Modulen wird durch verabredete Kurzreferate angeregt.
Therapeutische Ansatzpunkte
Folgende therapeutische Ansatzpunkte werden in Seminargesprächen, Übungseinheiten und Kurzreferaten entwickelt:
Anthroposophische Arzneimittel:
aus mineralischen Substanzen, Metallen, Pflanzen, Tiersubstanzen
Äußere Anwendungen:
Fußbäder, Essenzbäder, Schwitz- und Überwärmungsbäder, Öldispersionsbäder, Wickel insbesondere auf die großen inneren Organe Lunge, Leber, Niere, Herz; Organauflagen mit Metallsalben, Teil- und Ganzkörpereinreibungen
Physiotherapie:
krankengymnastische Übungen, Bewegungsübungen, Rhythmische Massage nach Wegman/Hauschka
Heileurythmie/Eurythmietherapie:
allgemeiner Zugang, Ansatz der heileurythmischen Bewegung, Konsonanten und Vokale, seelische Übungen, typische Übungen bei einzelnen Krankheitsbildern
Psychotherapie:
Wahrnehmungs-, Denk- und Willensübungen, Pflege eines gesunden Erinnerungslebens, biografische Aspekte mit Differenzierung konstitutioneller, biografischer, spiritueller Psychotherapie, Verständnis von Schicksal, Umgang mit spirituellen Grenzerlebnissen
Kunsttherapie:
Pflege der Sinnesqualitäten von Farbe, Licht-Finsternis, Klang, Ton, Sprachlaut; Erleben von Gebärde, Gleichgewicht, Bewegung, Rhythmus; Plastizieren, Malen, Musiktherapie, Sprachgestaltung bei den einzelnen Erkrankungen
Sozialtherapie:
Angehörigenarbeit, Formen sozialer Integration, lebenspraktische Hilfen, arbeitstherapeutische Anleitungen u.a.
Am Samstag Nachmittag besteht in den einzelnen Berufsgruppen die Möglichkeit, im kollegialen Austausch den berufsspezifischen Therapieansatz auszuarbeiten unter Berücksichtigung persönlicher Fragen und Erfahrungen.
Je nach Bedarf werden besondere Themen wie Selbstbestimmung des seelisch Erkrankten, Umgang mit Sterben und Tod, Suizidalität, Abgrenzung und Übergänge von spiritueller Grenzerfahrung und seelischem Kranksein sowie Schicksalserkenntnis, praktischer Umgang mit der Möglichkeit wiederholter Erdenleben im Gespräch thematisiert.
Ziel der Fortbildung
Ziel der Fortbildung ist, die verschiedenen über Leib und Seele eingeleiteten Therapien in ihrer Wechselbeziehung und in ihrer Gleichgewichtigkeit zusammen zu
sehen und zu erarbeiten. Die Teilnehmer sind am Ende der Fortbildung fähig:
- Bei Patienten mit seelischen Erkrankungen menschenkundlich erweiterte Diagnosestellungen vorzunehmen.
- Aus diesen konkrete therapeutische Konzepte und Therapien abzuleiten und umzusetzen.
- Interprofessionelle Zusammenarbeit im Alltag zu verwirklichen.
Erwünscht ist die Teilnahme an dem gesamten Kurs. Es können aber auch einzelne Module besucht werden.
Literaturempfehlungen
- Steiner, R. : Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit (GA 15).
- Steiner, R.: Menschenwerden, Weltenseele und Weltengeist, Erster Teil (GA 205). Vortrag 2.7.1921.
- Steiner, R.: Menschenwerden, Weltenseele und Weltengeist, Zweiter Teil (GA 206). Vortrag 12.8.1921.
- von Laue, B., Rißmann, W.: Das Entstehen der seelischen Krankheiten und ihre Ordnung im Werk von Rudolf Steiner. Der Merkurstab 2019; 72. S. 89–102.
Depressive Störungen II
Verlaufsformen, Suizidalität, Organbildungsstörungen
Rudolf Steiner Haus Hamburg, Mittelweg 11/12 (Nähe Bahnhof Dammtor)
Anmeldung bis 20. Mai 2022
Eingeladen sind Kolleginnen und Kollegen aus allen Berufsgruppen der Anthroposophischen Medizin.
Nachdem wir uns in Modul 5 mit der Symptomatik, Diagnose, Menschenkunde und den verschiedenen therapeutischen Ansätzen und Therapieformen befasst haben, werden wir diesmal genauer auf Verlaufsformen, Suizidalität und Organbildungsstörungen depressiver Erkrankungen eingehen.
Wolfgang Rißmann wird zu Beginn noch einmal die typische Symptomatik und das Wesen der Krankheit darstellen und verschiedene Verlaufsformen beschreiben. Das Thema Suizidalität steht bei depressiven Störungen immer im Hintergrund und bedarf einer besonderen Aufmerksamkeit. Vor allem werden wir auf den von Rudolf Steiner neu entwickelten Ansatz der Organbildungsstörungen eingehen und an praktischen Beispielen erläutern. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden dazu schriftliche Arbeitsunterlagen vorher erhalten. Am Freitagabend folgt eine Einführung in die „Vitaleurythmie“ durch Christiane Hagemann.
Am Samstagmorgen wollen wir uns wieder nach der einleitenden Eurythmie den menschenkundlichen Hintergründen depressiver Störungen durch Wolfgang Rißmann zuwenden. Textgrundlage ist der 20. Vortrag (9.4.1920) aus „Geisteswissenschaft und Medizin“ (GA 312) von Rudolf Steiner. Er beschreibt dort den Übergang einer akut entzündlichen Erkrankung der Leber in eine später folgende Depression. An diesem Beispiel lässt sich sehr grundlegend der Übergang einer körperlichen in eine seelische Krankheit zeigen.
Christiane Hagemann wird anschließend im Plenum Ansätze der Heileurythmie bei depressiv Erkrankten darstellen und erüben.
Die Begegnung mit einer Patientin/einem Patienten wird den Ausgangspunkt für menschenkundliche und therapeutische Ansätze bei depressiven Erkrankungen geben. Durch die Erarbeitung eines menschenkundlichen Bildes und des Heilbedarfs ergibt sich die Grundlage für therapeutische Hilfen aus den verschiedenen Berufsgruppen. - In der zweiten Hälfte des Nachmittags besteht die Möglichkeit, in verschiedenen Kleingruppen therapeutische Ansätze kennenzulernen und zu erarbeiten.
Am Samstagabend werden Ellen Keller und Isa-Katharina Fromberg in zwei Gruppen Übungen zur Naturbeobachtung und zur Meditation durchführen.
Am Sonntag werden wir nach der einleitenden Eurythmie in den Berufsgruppen Gelegenheit haben, einen Therapievorschlag zu erarbeiten.
Dann, angeregt durch die Arbeit in den einzelnen Berufsgruppen mit ihren spezifischen Therapieansätzen, führen wir die Arbeitsergebnisse des Wochenendes zu einem konkreten Therapievorschlag für die vorgestellte Patientin/den Patienten zusammen.
Wir freuen uns auf die gemeinsame Arbeit!
Hartmut Horn, Ellen Keller, Wolfgang Rißmann
Die Veranstaltung ist mit 19 Fortbildungspunkten (Kategorie C) akkreditiert.